
Wien und Prag, die am meisten besuchten Metropolen der KuK-Monarchie sind natürlich immer eine Reise wert. Nur die Touristenströme schmälern beim Sightseeing das Gefühl, sich auf eine historische Zeitreise zu begeben. Halt, da ist doch noch was? Im Abseits bleiben Prags „kleine Schwestern“. Diese bieten eine mehr als sehenswerte Alternative mit regionalen Musikfestivals, kulinarischen Gaumenfreuden und einmaligen Sehenswürdigkeiten. Die Rede ist von Pardubitz (Pardubice), Olmütz (Olomouc) und Brünn (Brno). Letztere stehen sogar auf der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste.
Wer Böhmen und Mähren erobern möchte, beginnt die Reise mit der tschechischen Eisenbahn wie einst Kaiser Franz-Joseph I., wenn er seine Regionen besuchte. Zu empfehlen: Erst Prags Hotspots besichtigen und dann als erste Station ab nach Pardubice. Die Zugfahrt dauert eine knappe Stunde und schlängelt sich durch saftige grüne ostböhmische Waldlandschaften.
Pardubice und die Mär vom halben Pferd
Auf dem Zugweg begleiten den Reisenden blühende Mohnwiesen entlang der Schienenstrecke. Schon hier fängt quasi eine zauberhafte Märchenwelt an. Man schwärmt unweigerlich von Pan Tau, dem Mann im schwarzen Mantel und Bowlerhut aus der beliebten tschechischen Familienserie in den siebziger Jahren. Dazu passt auch die Geschichte von 200 kiffenden Schwänen in der mährischen Slowakei, die nach Genuss dieser „Mohn-Köstlichkeit“, nicht mehr fliegen konnten. Echt wahr!
Angekommen in Pardubice, der Residenz der Adelsfamilie von Pernstein, geht es weiter mit abenteuerlichen Geschichten. Das imposante Schloß mit einem Park, geschützt durch eine hohe Wallanlage, zeugt vom Reichtum der ostböhmischen Metropole. In dem Wappen der Stadt ist das Symbol eines halben Pferdes eingebunden.
Der Hintergrund ist die Geschichte des tapferen Ritters Jeschek von Pardubice, der im Heer von Friedrich Barbarossa vor Mailand kämpfte. Unglücklicherweise fiel das Gittertor in Mailand plötzlich herab und halbierte Jescheks Pferd. Der Ritter brachte den vorderen Teil seines Pferdes nach Pardubice. Der Beginn einer Legende. Nicht verwunderlich, dass auch heute Pferderennen wichtiger Bestandteil der Stadttradition sind.
Pardubice liegt idyllisch an der Elbe (Labe) und ist auch Startpunkt für leidenschaftliche Radler, die in Etappen den Elbe-Radweg bis zur Elbmündung (Distanz 1300 Kilometer) meistern. Wir bleiben aber am Ufer der Elbe (Labe) und bestaunen ein technisches und architektonisches Meisterwerk.
Die monomentale über hundert Jahre alte automatische Getreidemühle) (Automaticke Mlyny) stellte ihren Betrieb 2013 ein. Nach jahrelanger Renovierung gehört das Ensemble als tschechisches Kulturdenkmal zum Zentrum kultureller Veranstaltungen. Nach einer Besichtigung der Silos und einem fantastischen Ausblick über die Silhouette der Altstadt auf der Dachterrasse lohnt sich eine Verschnaufpause im ansässigen Café Cogar. Hier fängt auf dem Weg in die Altstadt das städtische Lebensgefühl an. An Wochenenden werden die Plätze und Gassen zu einem Festival der Genüsse. Auf dem Pernsteinplatz mit Livemusik und was für die Region unvermeidlich ist: Freude an den regionalen Spezialitäten. Pivo, Bramborak (Kartoffelpuffer), Süssigkeiten verführen solange der Gaumen mitmacht.
Ein beliebter Treffpunkt für die Pardubicer ist das Café Bajer. Bei Drink Musik vor einer der schönsten Kneipen der Region heißt das Motto: fröhlich tanzen mit Jung und Alt auf der Straße. Natürlich in Begleitung von Pivo und Bohemia, dem heimischen „Champagner“. Was wäre Ostböhmen ohne Knödel? Besonders zu geniessen im Nejen Dvorek bei abendlicher Stimmung im Herzen der Altstadt.
Olmütz und der Käse mit besonderem Aroma
Burg, Palast und Kapellen - die Kreisstadt Olomouc liegt im Herzen Mährens und war in der Vergangenheit Landeshauptstadt. Franz-Joseph übernahm hier 1848 von seinem Onkel Ferdinand den Kaisertitel. Überhaupt prägten die Habsburger das gesellschaftliche Leben. Mozart, Radetzky, Beethoven und Alma Mahler haben ihre Spuren hinterlassen. Fremdenführer Stefan, ein leidenschaftlicher Olmützer, erinnert während des Rundganges an die bewegte Geschichte des Ortes. Mit Stolz erklärt er, dass die imposante Dreifaltigkeits-Säule seit 2000 auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes steht. Überhaupt bekommt man den Eindruck, die Altstadt besteht nur aus Weltwundern. Die Kathedrale rühmt sich des zweithöchsten Kirchturms und in der Moritzkirche befindet sich die größte Barockorgel des Landes. Nach so viel Geschichte während des Spaziergangs durch die pittoresken Gassen, wird es Zeit, sich dem berühmten Olmützer-Quargel zu widmen. Erstmals wird er in den Chroniken im 16. Jahrhundert erwähnt. Es ist ein Käse mit einem sehr spezifischen Aroma. Hergestellt aus Magerquark mit nicht einmal ein Prozent Fett. Wer ihn als Souvenir mit nach Hause nehmen möchte, sollte auf eine absolut geruchsdichte Verpackung bestehen.
Schaumrollen, Tortenstücke, Rouladen und Cremeschnitten - alles aus Quargel. Ein Genuss für Gaumen und Augen. Besonders zu empfehlen sind die köstlichen Varianten im Hotel Central Park Flora, Als Highlight und Sundowner danach gibt es den romantischsten Blick über die Altstadt auf der Dachterrasse des Hauses.
Brünn und die Lebensfreude zwischen Tradition und Moderne
Die zweitgrößte Stadt Tschechiens mit ihren knapp 400.000 Einwohnern ist die junge und lässige Alternative zu Prag. Dazu ohne große Tourismushorden. Die renommierte Universität mit ihren 80.000 Studenten belebt das täglich pulsierende Leben der Stadt, die es immer verstanden hat, dass sich Tradition und moderner Fortschritt nicht ausschließen. Tagsüber Flanieren durch die schmalen Gassen der Stadt, die über eine hohe Dichte an wirklich guten Kaffee-Lokalen verfügt. Auffällig ist zudem die beeindruckende Zahl an vietnamesischen Restaurants. Auch hier gelingt die kulinarische Fusion: Knödel trifft auf Ramen. Besonders empfehlenswert das Vecerka Brno in der Pekarska 9.
Bevor es in das quirlige Nachtleben geht, steht ein Stadtrundgang an. Auch hier Schritte in die Vergangenheit und Gegenwart. Also erst geht es in den Untergrund der Stadt. Unter dem Krautmarkt - tagsüber ein einheimischer und beliebter Viktualienmarkt - befindet sich ein Kilometer langes mittelalterliches Labyrinth aus Gängen und Kellern. Relikte wie Pranger, Narrenkäfig und ein alchemistisches Labor zeigen Brünns morbide und mystische Seite.
Die monomentalen Räume der 1874 errichteten unterirdischen Wasserspeicher versorgten die Bewohner der Stadt mit einem Volumen von 30 Millionen Litern Wasser. Der Betrieb wurde 1997 eingestellt und ist seit 2024 der Öffentlichkeit wieder zugänglich. Spektakuläre Konzerte mit Lasershows und kreativen Installationen locken seitdem die Besucher an.
Moderne Architektur entsteht neben historischen Altbauten. Den ersten Eindruck bekommt man bereits am Hauptbahnhof zu bewundern. Ins Auge sticht ein in schneeweiß getünchtes Bauwerk im Neo-Bauhaus-Stil - dem kürzlich eingeweihten Einkaufscenter Letmo. Zweihundert Meter weiter steht das Grandhotel aus dem Jahre 1870. Berühmtester Logiergast war neben Kaiser Franz-Joseph I. und natürlich Karel Gott, die goldene Stimme aus Prag, als vielgeliebter Stammgast.
Am Ende des Tages kommt eines nicht zu kurz: Das Nachtleben. Auch hier abgewandelt eine Brünner Devise: Pivo (Bier) trifft auf Cocktails. Der Abend beginnt in der Bierstube Lokal U Caipla. Das frischgezapfte Bier kommt direkt aus den Biertanks und ist die ideale Begleitung zu traditionellen tschechischen Gerichten. Eine wunderbare Unterlage, um den Abend in der angesagtesten Bar der Stadt, die idealerweise auf die andere Straßenseite lockt, ausklingen zu lassen. In der Bar ktery neexistuje. Übersetzt: Bar, die es nicht gibt. Im New Yorker Stil eingerichtet, werden individuell Cocktails nach Wunsch der Gäste kreiert - mit einem hohem Flirtfaktor für Jung und Alt. Spätestens um Mitternacht heißt es: Auf Wiedersehen schöne kleine Schwestern - Sbohem, krasne male sestricky.
Allgemeine Informationen
Anfahrt
Idealer Startpunkt der königlich und kaiserlichen Tour ist Wien. Ab Wien HBF fährt der tschechische CD-Railjet nach Prag. Im Bordrestaurant kann man dann entspannt mit einem frisch gezapften Pilsner-Urquell die Anreise geniessen. Für die Weiterfahrt nach Pardubice, Olmütz und Brünn gibt es günstigeTickets. Und kleiner Seitenhieb: die Eisenbahn in Tschechien ist pünktlich! Fahr-Infos finden Sie hier...
Übernachtungen
Pardubice: Hotel Euro, Zimmer ab 110 Euro. www.hoteleuro.cz
Olmütz: Central Park Flora, am Stadtpark gelegen. Toller Blick vom achten Stock aus auf die Silhouette der Altstadt. Zimmer ab 90 Euro www.hotelflora.cz
Brünn: Das Grandhotel, direkt gegenüber dem Bahnhof hat eine lange Tradition. Kaiser Franz Joseph I. residierte gerne während seiner Erkundungen in der kaiserlichen Loge. Übernachtung ab 100 Euro pro Übernachtung. grandhotelbrno.cz
Essen und Trinken
Pardubice
Restaurace Nejen Dvorek - einheimische Spezialitäten wie T-bone-Steaks oder Tatar. www.nejendvorek.cz
Brünn
Vecerka BRNO - Fusionsküche regional kreativ interpretiert www.vecerkabrno.cz
Cafe Mitte - in einem heimeligen Innenhof die mannigfaltigen Kaffeevariationen geniessen. www.mitte.cz
Lokal U Capia - originelles tschechische Bierhaus mit künstlerisch verzierten Wandintarsien einheimischer Brüder Ikonen. lokal-ucaipla.cz
Bar, ktery neexistuje - in dieser Bar sind die Gäste die Hauptstars des Abends. Unglaubliche Auswahl an Coctails.
Ausführliches Info-Material über die Regionen erhalten Sie hier… www.visitczechia.com
Über den Autor*Innen

Herbert Barnehl
Als echten Holsteiner, geboren in Kiel und aufgewachsen in Glückstadt an der Elbe, zog es ihn schon in jungen Jahren in die Regionen südlich der Elbe. Getreu dem humorvollen Spruch: Südlich der Harburger Berge fängt der Balkan an. Bis dahin hat er es nie geschafft. Vielmehr zog es Herbert in die kulinarischen Regionen Frankreichs. Er entwickelte Reportagen (Abenteuer und Reisen, BMW-Magazin, Holiday, Merian und regionale Tageszeitungen) über die Geheimnisse der Champagne, den Reiz des Perigords und dem ländlichen Charme der Normandie.