
Südtirol lebt von Kontrasten – genau daraus zieht es seine Kraft. Zwischen alpiner Frische und mediterraner Wärme entstehen Tropfen, die weltweit Anerkennung finden. Wer in Bozen durch die Reben spaziert, merkt rasch: Dieses überschaubare Gebiet hat viel zu erzählen.
Etwa 4.800 Weinbauern bewirtschaften hier 5.850 Hektar – international gesehen eine geringe Fläche. Doch die Vielfalt der Landschaft ist außergewöhnlich. Zwischen 200 und 1.000 Metern Höhe wachsen Reben auf Porphyr, Kalk, Schiefer oder Moränenschotter. Selten liegen so unterschiedliche Klimazonen so dicht beieinander. Das Ergebnis: eine Fülle an Spitzenweinen, die man einem kleinen Land kaum zutrauen würde.
Herkunft als Kompass
Südtirol steht für rund 20 verschiedene Sorten. Winzer kombinieren Tradition und Fortschritt: Lagrein und Vernatsch sind uralte Klassiker, Sauvignon Blanc und Chardonnay bringen internationale Finesse. Entscheidend ist jedoch nicht die Sorte allein, sondern ihre Lage.
Das verdeutlicht das System der Einzellagen: 86 klar definierte Weinorte erzählen ihre je eigene Geschichte – geprägt von Boden, Höhe, Sonnenschein und Luftbewegung. Dass eine Sorte an zwei Orten völlig unterschiedliche Facetten entwickeln kann, macht den Reiz dieser Herkunftsweine aus. Sie sind Spiegel ihrer Böden und Ausdruck einer tiefen Weinkultur.
DOC und regionale Facetten
Seit Jahrzehnten trägt Südtirol die geschützte Herkunftsbezeichnung DOC, ergänzt um sieben Unterzonen – vom Kalterersee bis ins Eisacktal, von Terlan und Meran über die Bozner Leiten und St. Magdalener bis hinauf in den Vinschgau. Jede Zone setzt eigene Schwerpunkte: frische Weiße, elegante Rote oder traditionsreiche Cuvées. So präsentiert sich Südtirol unter einem klaren Qualitätssiegel als außergewöhnlich facettenreich.
Gemeinsam stark
Tragende Kraft ist seit 2007 das Konsortium Südtirol Wein. Es bündelt die Kräfte von zwölf Genossenschaften, 32 privaten Weingütern und 109 freien Weinbauern. Unterschiedliche Strukturen, ein gemeinsames Ziel: Qualität sichern und weiterentwickeln.
Familienbetriebe prägen das Bild: Viele Häuser werden über Generationen geführt, oft mit nur wenigen Hektar, aber mit umso mehr Leidenschaft. „Klein, aber fein“ ist hier keine Phrase, sondern gelebter Alltag.
Nachhaltig nach vorn
Die Südtiroler Winzer gelten als präzise, mutig und vorausschauend. Sie denken langfristig – im Weinberg ebenso wie in Architektur und Energie. Mit der „Südtirol Wein Agenda 2030“ haben sie sich selbst klare Leitlinien für ökologischen Anbau gesetzt.
So zeigt Südtirol eindrucksvoll: Größe misst sich nicht in Hektar, sondern in Haltung, Vielfalt und Können. Wer einen Südtiroler Wein öffnet, schmeckt nicht nur Sonne und Berge, sondern auch das Engagement der Menschen, die ihn hervorbringen.
Weindorf St. Magdalena – lebendiges Kulturerbe
Der St. Magdalener ist ein echtes Stück Südtiroler Weinidentität. An den sonnigen Lagen nördlich von Bozen wächst vor allem Vernatsch, ergänzt durch Lagrein oder Blauburgunder. Das Ergebnis: ein fruchtiger, eleganter Rotwein mit feiner Würze. Besonders charaktervoll sind die Tropfen aus historischen Parzellen wie St. Magdalena, St. Justina, Rentsch, Leitach oder St. Peter – sie dürfen das Prädikat „classico“ tragen.
Alte Höfe mit Tradition
Wer Vernatsch und Südtirol denkt, stößt auf bekannte Namen: die Kellerei Bozen, den Pfannenstielhof, die Güter Untermoserhof, Hans Rottensteiner, Unterganzer-Josef Mayr – und den Kandlerhof. Dieser Hof ist seit über 200 Jahren in Familienbesitz, heute geführt von Hannes Spornberger mit Frau Nicole und seinen Eltern.
Schon beim Betreten spürt man: Hier wird Wein nicht nur hergestellt, sondern gelebt. Im historischen Keller reifen Weine sorten- und lagetypisch, stets mit Respekt für Herkunft und Terroir. Weiße liegen im Stahl, Rote im Holz. Fast alle tragen das Siegel „Südtiroler D.O.C.“ – ein klares Bekenntnis zu Qualität und Herkunft.
Ein Wolf im Schafspelz
Das Sortiment reicht vom frischen Rosé „Firsi“ über klassische Magdalener bis hin zum „Mirus“, der für Aufsehen sorgt. Nur 600 Flaschen entstehen – das Etikett zeigt einen Wolf im Schafsfell. „Im Mund provoziert er mit Wildheit und spürbaren Tanninen“, erklärt Winzer Spornberger. Vielschichtig, würzig, lang im Nachhall – ein Wein für Kenner und ein Statement.
Für Spornberger bleibt Vernatsch die wichtigste Sorte. Am Kandlerhof setzt man bewusst auf traditionelle Pergola-Erziehung. „Wir lieben, was wir tun“, sagt er – und es klingt wie ein Glaubenssatz.
St. Magdalener neu gedacht
Spornberger ist zudem Mitglied der „Next Generation“ – ein Netzwerk junger, weltoffener Winzer. Ihr Ziel: dem St. Magdalener ein modernes Gesicht geben und ihn auch für jüngere Genießer interessant machen. Nicht Tradition brechen, sondern weiterentwickeln. „Wir möchten das Sortiment um Selektionen erweitern, Weine mit knackigeren Tanninen, frischer Säure und mehr Komplexität anbieten“, betont Spornberger. Das ist mehr als ein Generationswechsel – es ist eine Vision: St. Magdalener als modernen Qualitätswein mit Charakter zu etablieren. So zeigt der Kandlerhof beispielhaft, wie alte Wurzeln und neue Ideen im Südtiroler Weinbau ein starkes Paar bilden.
Weitere Informationen finden Sie hier
www.suedtirolwein.com www.altoadigewines.com
Über den Autor*Innen

Carola Faber
Seit mehr als 30 Jahren ist Carola Faber als freie Journalistin sowie Fotografin für verschiedene landesweite Printtitel und renommierte Online-Magazine aktiv. 2010 erhielt sie einen Fotopreis der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. Außerdem hat sie bei der Hannoverschen Allgemeinen an der Serie "Mein Ausflug" mitgewirkt, der den European Newspaper Award erhielt. Seit 2013 erhielt sie im Rahmen der ITB beim Journalistenpreis Irland regelmäßig einen Platz unter den TOP 10. In Spanien wurde sie mit dem Internationalen Medienpreis der Costa Brava “Counties G! Awards” ausgezeichnet.