Architektur für Frieden und Gerechtigkeit

Der Friedensbaum steht beim Bezucherzentrum - (c) Eva-Maria Mayring

Wie ein Märchenschloss steht er da, mächtig und verspielt zugleich. Die spitzen Türme und Türmchen am hohen Belfried, symbolisieren defensive Wehrhaftigkeit. Große Fensterpartien und Gauben bis unters Dach gewähren Transparenz, wie die eleganten, breite Arkadenbögen im unteren Geschoss, die von wuchtigen Säulen getragen werden. Rundherum grünt und blüht eine gepflegte Parkanlage mit kunstvollen Rabatten und sauber geschnittenen Rasenflächen. Sie verleihen dem Gebäude aus holländischem, rotem Backstein und niedersächsischen Obernkirchener Sandstein etwas Erhabenes. Ein kunstvoll geschmiedetes, schwarzes Gitter mit Prunktor umschließt das Anwesen zur Straße hin.

Bei diesem imposanten Gebäude nur zwei Kilometer von der Den Haager Innenstadt entfernt handelt es sich um den Friedenspalast, der seit 28.08.1913 als ständiger Schiedsgerichtshof der Vereinten Nationen fungiert. Mit der Den Haager Friedenskonferenz, die der russische Zar Nikolaus II. initiierte und Königin Wilhelmina der Niederlande dazu einlud, wurde mit Politikern und Juristen 1899 aus 28 Staaten über Abrüstung, humaner Umgang mit Kriegsgefangenen und friedliche Lösungen für internationale Streitfälle diskutiert. Nach der zweiten Konferenz in Den Haag 1907 scheiterten zwar die Bemühungen um Abrüstung, man war sich jedoch einig, einen ständigen Schiedshof in Den Haag zu errichten. Sponsor für dieses Bauvorhaben war der großzügige Sponsor Andrew Carnegie (1835-1919). Der Schotte, der sein Vermögen mit der Produktion von Stahl in Amerika machte, zählte nicht nur zu den reichsten Menschen der damaligen Welt, er galt auch als Philanthrop. Aufgrund seiner Devise: Es sei eine Sünde reich zu sterben, gründete er Stiftungen und spendete für gute Zwecke. Für den Friedenspalast in Den Haag zahlte er 1,5 Millionen Dollar. Und so konnte die Idee eines Internationalen Gerichtshofs realisiert werden. Nach dem international ausgeschriebenen Wettbewerb übernahm der französische Architekt Louis M. Cordonnier (1854-1940) die Bauleitung für den Friedenspalast. Im Stil der Neo-Renaissance errichtete er einen stattlichen Palast. Im Historismus bediente man sich gerne aller möglichen Stilrichtungen aus der Vergangenheit. Die Kombination daraus gestaltete dann das Gesamtbild. Mit dem 80 Meter hohen Belfried, dessen Vorbilder sehr häufig in Frankreich und Belgien zu finden sind, verbindet er kirchliche mit bürgerlichen Akzenten. Jeden Dienstag und Donnerstag konzertieren heute verschiedene Glockenspieler von 13.00 bis 13.45 Uhr. Das Konzert kann man auf dem Platz vor dem Palast anhören. Die zahlreichen Nebentürme und Türmchen sind vergleichbar mit den französischen Loireschlösser. Die rundherum gepflegte Parklandschaft, angelegt mit Büschen, Bäumen und Blumenrabatten schafft Abstand zum Gebäude und lässt in der Stadt einen grünen Teppich der Natur sprechen.

Geschenke zur Eröffnung
Der Niederländer Herman Rosse von der Carnegie Foundation bekam die Gestaltung des Inneren Friedenspalastes übertragen. Seine Aufgabe war es, die Decken, Gewölbe, Fenster und gesamten Dekorationen zu kreieren. Er arbeitete fast 30 Monate rund um die Uhr, um die Gewölbe, Flure und Fenster fertigzustellen. Dass es zur Eröffnung 1913 eine Reihe Geschenke zur Innenausstattung gab, musste Rosse in seine Konzeption integrieren. Für das Foyer mit dem weitläufigen Treppenaufgang steuerte Italien und Griechenland den weißen Marmor bei. Die Wandtäfelung aus wertvollen Edelhölzern kam aus Brasilien und den USA. Aus Delft stammte das Bleiglas und die Kacheln im Erdgeschoß. Japan schenkte die handbemalten Seidentapeten und aus China sind die mächtigen Vasen. Der schmiedeeiserne Zaun und das filigrane Tor, teilweise vergoldet, stammt aus Deutschland. Aus Thailand kamen Elefantenzähne und die Schweiz stiftete die Uhr für den Belfried.
Die eigentlichen Verhandlungsräume sind ausgestattet mit bunten Glasfenstern aus dem Vereinigten Königreich und schweren Lüstern. Die erhöhten weißen Ledersitze der Richter sind gegenüber den Zuhörern positioniert und an der Seite des Raumes befindet sich die Kabine für die Übersetzer.
Der Internationale Gerichtshof, das Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen, besteht aus 15 Richtern, die für einen Zeitraum von neun Jahren gewählt werden. Die Wahl erfolgt durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen und den UN Sicherheitsrat.
Auf diese Weise fiel auch die Wahl auf den Heidelberger Völkerrechtler Hermann Mosler. Er war von 1976-1985 erster deutsche Richter des Internationalen Gerichtshofs.
Verhandelt wurde das Kriegstribunal des ehemaligen Jugoslawiens und momentan ganz aktuell die Klage des Iran gegen die Wirtschaftssanktionen der USA. Doch es stehen auch Umweltvergehen oder falsche Nutzung von Rohstoffen auf der Tagesordnung.
Zum Inventar des Friedenpalastes gehört außerdem die größte Bibliothek der Welt für Völkerrecht.
Bei einem Gang durch das Gebäude sieht der Besucher eine Menge Symbole für Recht und Gerechtigkeit, Zeichen der Freundschaft und Einigkeit. Eines davon ist die Büste der Bertha von Suttner. Die österreichische Pazifistin (1843-1914), die eigentlich Gräfin Kinsky hieß, erhielt für ihr Buch: "Die Waffen nieder" 1905 den ersten Nobelpreis als Frau.

Friedensflamme brennt seit 2002
Der Besucherpavillon am Ende des Rundgangs ist der zweite Bau der Wilford Schupp Architekten im Auftrag der Carnegie Foundation. Es wurde am 30. Mai 2012 eröffnet und gilt als Zentrum der europäischen Friedensbewegung im 20. Jahrhundert. Heute zieht insbesondere der Internationale Gerichtshof im Friedenspalast viele Besucher an. Neben dem Eingangstor lodert seit 2002 die Friedensflamme.
Das Mahnmal mit der Aufschrift. "May all beeings find peace" ("Mögen alle Frieden finden") ist seit 2004 vom Weltfriedenspfad umgeben, bestehend aus 196 Steinen aus ebenso vielen Ländern. Viele Stücke sind geschichtsträchtig wie ein Brocken,  aus der Berliner Mauer und ein anderer von der Robbeninsel, wo Nelson Mandela viele Jahre gefangen war. Und ein voll behängter Wunschbaum mit weißen Papier, das Friedensymbol schlechthin, zeigt nochmal deutlich wie wichtig es ist, sich um den Frieden zu bemühen.

Über den Autor*Innen

Eva-Maria Mayring

Nach dem Studium der Kunstgeschichte arbeitete die Münchnerin als Redakteurin bei der Passauer Neuen Presse und Münchner Merkur. Seit 2000 schreibt die inzwischen freie Journalistin vor allem für die Reiseseiten in Magazinen und Zeitungen. Besonders großen Spaß macht es ihr, für ausgefallene Geschichten in fremden Ländern zu recherchieren und dabei auch deren kulinarischen Köstlichkeiten kennenzulernen. Egal ob Bayern, Kärnten oder Canada Natur, Kunst und Genuss stehen ganz oben auf ihrer Liste. Und nach ihrem Studienjahr in Edinburgh hat sie ihre Liebe für Großbritannien entdeckt.