Eine Weinreise in den Süden

Am nächsten Tag geht es nach Siena. Das Mittagessen lassen wir  uns auf der Piazza del Campo mit Blick auf das Rathaus von Siena, dem Palazzo Pubblico, schmecken - (c) Jörg Bornmann

Die Toskana, ein Feinschmecker- und Weinparadies

Es gibt Regionen in unserem schönen Europa, die selbst Vielreisenden wie mich zum Träumen bringen. Und wenn sich dort noch Weinkultur, eine tolle Küche und lebensfrohe Menschen kennenlernen lassen gibt es nicht viel zu überlegen, das Angebot solch ein besonderes Stückchen Erde zu besuchen kann man nur schwer ausschlagen.

Die Toskana in Italien gehört sicherlich dazu. Eine der Sehnsuchtsregion der Deutschen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts hat bis heute nichts von ihrem Reiz verloren. Sicherlich war dies ein Teil der Überlegungen von Andrea Vestri, als er die Weinreise der European Wine Education für 2018 plante. Und was kann den Teilnehmern Besseres passieren, ein tolles Reiseziel, Unterkünfte auf und Besuche bei zahlreichen Weingütern und vor allem die fachliche Begleitung durch zwei ausgewiesene Spezialisten in Sachen Wein, Jean-Jacques Marcel und Andrea Vestri, ein Franzose aus dem Burgund und ein Italienier aus der Toskana. Der Spannungsbogen der Reise war damit bereits vorgezeichnet. Und so starte ich zu meiner ‚Weinreise in den Süden‘ mit einer Gruppe von elf Weinliebhabern Ende April in einem Bus Richtung Brenner.

Unser erstes Ziel ist der ‚Agriturismo Palagetto‘ vor den Toren von San Gimignano. Weithin sichtbar empfangen uns die Geschlechtertürme der mittelalterlichen Stadt südwestlich von Florenz. Einige Staus kurz hinter dem Brenner haben unseren Zeitplan etwas durcheinander gebracht. Doch Flexibilität ist der zweite Vorname unserer Italienischen Gastgeber und so können wir ohne Stress unsere Zimmer im historischen Weiler aus dem 14. Jahrhundert beziehen und das wunderbare 3-Gänge-Menü aus regionalen Produkten mit einer Weinbegleitung des Weingutes Palagetto, zu dem dieser Agriturismo gehört, genießen. Nachdem man bereits bei vielen Reiseteilnehmern nach dem Verlassen des Busses merkte, wie sie den Duft der Toskana hörbar ein atmeten, setzt jetzt beim Essen die Stille des kulinarischen Genusses ein. Fast hat man den Eindruck, dass bei vielen der Genießerrunde bereits die Vorschau für die nächsten Tage vor dem inneren Auge vorbeiläuft. Wir sind angekommen im Schlaraffenland Toskana.

Am nächsten Morgen können es die Meisten unserer Reisegruppe kaum erwarten endlich mit dem Kultur- und Genussprogramm der Reise zu starten. So rumort es bereits früh in allen der umliegenden traditionell und chic eingerichteten Apartments. Und nach einem ausführlichen Frühstück machen wir uns gestärkt für den Tag auf den kurzen Weg ins Zentrum von San Gimignano. Hier erwartet uns bereits der Cousin von Andrea. Giovanni ist ausgebildeter Stadtführer in der Toskana und Sprecher bei RAI2. Schnell nimmt er uns mit seinem Wissen über und seiner Begeisterung von dieser wunderschönen mittelalterlichen Stadt gefangen. Er erzählt uns von der Geschichte San Gimignanos, das bereits 300 Jahre vor Christus von den Etruskern besiedelt wurde. Im Mittelalter war es durch seine Lage an der Handelsstraße ‚Via Francigena‘ eine reiche Stadt, was sich in den zahlreichen Herrschaftshäusern und vor allem in den Geschlechtertürmen und der Stadtmauer widerspiegelt. Interessant und mit Humor erzählt uns Giovanni über die weitere Geschichte der Stadt, die seit 1990 zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt. So geht die Zeit schnell dahin und wir finden den Weg zu einer schönen Trattoria, auf deren Dachterrasse wir bei einem wunderbaren Blick über San Gimignano regional typische Pasta-Spezialitäten und einem Vernaccia di San Gimignano, den wohl bekanntesten Weißwein der Region, genießen.


Nach dem Mittagessen geht es mit unserem Bus weiter ins Gebiet des Chianti Classico zum wunderschönen Weingut ‚Castello di Monsanto‘. Im Jahr 1960 kaufte Aldo Bianchi dieses traumhafte Anwesen. Eine Rolle spielte für den Gimignaner sicherlich, dass man von der Terasse des ‚Castello di Monsanto‘ die Türme von San Gimignano sehen kann. Der Sohn Fabrizio baute mit seiner Leidenschaft zum Wein das Weingut zu seiner heutigen Bedeutung aus. Zunächst werden wir durch die beeindruckenden alten Weinkeller geführt. Auf jedem Schritt spürt man die Geschichte der Familie und deren Liebe zu diesem Anwesen. Weinkeller und Produktion, Außenanlagen und Verkostungsräume, ein toskanisches Weingut wie gemalt. Nach unserem Rundgang gilt es Augen, Nase und Gaumen zu fordern und dass tun wir ausführlich bei einer Verkostung dieser vielschichtigen Weine des Chianti Classico. Wir nehmen uns ausführlich Zeit und zum ersten Mal auf dieser Reise wird der Kofferraum unseres Busses mit feinen Tropfen aus der Toskana beladen. Denn bei diesem und allen anderen Weingütern, die wir auf der Reise besuchen, kann man die verkosteten Weine auch direkt vor Ort kaufen.

Zurück geht es nach San Gimignano. Durch die etwas verspätete Ankunft am Vortag haben wir die Besichtigung und Verkostung auf dem Weingut Palagetto verlegt und holen diesen Termin jetzt nach. Bereits bei unserer Ankunft und dem Rundgang in den Weinbergen zeigt sich die eigene Philosophie dieses Weinguts. In den zugehörigen Weinlagen von San Gimignano und Montalcino wird biologisch gearbeitet. Neben Wein produziert man auch Olivenöl und verbindet die Landwirtschaft mit dem Tourismus. So werden elegante, historische und abwechslungsreiche Unterkünfte in der unmittelbaren Umgebung angeboten. Im ‚Agriturismo Palagetto‘ wohnen wir ja selbst. Die Familie Fioravanti möchte ihre Liebe zur Heimat und das Lebensgefühl der Toskaner dem Urlauber näher bringen. Sie selbst bezeichnen es als ihr Konzept ‚buan vivere‘, des guten Lebens. Und das gelingt ihnen sehr gut.

Nach dem Rundgang auf dem Weingut Palagetto und einer ausführlichen Verkostung des großen Weinangebots geht es zurück in unsere Unterkunft, wo uns noch eine besondere kulinarische Überraschung erwartet. Der Grill ist bereits angeheizt und die Steaks des Chianina Rinds, die Spezialität ‚Bistecca alla Fiorentina‘ warten darauf für uns zubereitet zu werden, ein Traum für jeden Fleischliebhaber. Das Chianina gilt als die größte Rinderrasse der Welt. Es wurde ursprünglich als Arbeitstier genutzt. Heute wird es auf Grund seines extrem schmackhaften Fleisches wieder von einigen Züchtern in der Toskana gehalten. Es liefert wunderbar zarte, saftige Steaks mit einer feinen Marmorierung, die jedem das Wasser um Munde zusammen laufen lassen. Ein weiteres kulinarisches Highlight auf unserer Reise. Kaum erwähnenswert ist es wohl, dass wir uns dazu wunderbare Weine vom Weingut Palagetto schmecken lassen. Nach und nach leeren sich die Tische unter freiem Himmel, denn der Plan für den kommenden Tag ist umfangreich und wir ‚ziehen um‘.

Nachdem das Gepäck gut im Bus verstaut ist, geht es mit diesem Richtung Siena, wo wir wieder von Giovanni erwartet werden. Siena ist auch eine dieser toskanischen Perlen und vielen bekannt durch den Palio, eines der härtesten Pferderennen der Welt. Wenn man durch Siena schlendert, sich den Dom anschaut oder auf dem Piazza del Campo steht, irgendwie beschleicht einen das Gefühl Teil eines historischen Films zu sein. Auch über Sienna erzählt uns Giovanni wieder kurzweilig vieles Interessantes. Und zum Abschluss lassen wir uns das Mittagessen auf der Piazza del Campo mit Blick auf das Rathaus von Siena, dem Palazzo Pubblico, schmecken. Die Pici, eine Nudelspezialität der Region, schmecken bei diesem Ausblick einfach noch besser.

Weiter geht es zum Weingut ‚Losi di Querciavalle‘. Das Familienweingut hat wunderschöne Lagen im Gebiet des Chianti Classico. Beim Rundgang durch die Weinberge sehen wir am Horizont Siena und wie sollte es anders sein, finden wir uns danach im Verkostungsraum des Weinguts wieder. Auch hier treffen wir auf wunderbare Weine des Chianti Classico und werden zum Abschluss der Verkostung noch mit einem Vin Santo überrascht. Bei diesem Wein werden sorgfältig ausgewählte Trauben aufgehängt und so bis in den Dezember weiter an Luft und Sonne reifen lassen. Nach einer schonenden Pressung kommt der Most in kleine Holzfässer, den Caratelli. Nach einer langsamen Gärung, reift der Wein in den Caratelli oft mehr als 10 Jahre. Der ‚heilige Wein‘, ein Wein für die Götter.

Auch wenn wir es hier noch länger ausgehalten hätten und es in der Gegend auch vieles zu entdecken gäbe, geht unsere Reise weiter zum Weingut ‚Campriano‘ von Ranuccio Neri im Gebiet Chianti Colli Senesi. Hier werden wir die nächsten beiden Nächte auch im alten Herrenhaus, das auf einer historischen Befestigungsanlage errichtet wurde, übernachten. Am Abend bekommen wir ein typisches regionales Menü, das von der Küchenchefin Mariangela zubereitet wird. Doch Küchenchefin trifft es nicht wirklich, den diese herzliche Dame kocht für uns als wären wir ihre Familie, Essen wie bei Mama. Nicht vergessen bei aller Verzückung darf man die schöne Weinbegleitung durch den Patron Ranuccio, der uns seine Weine beim Essen präsentiert.

Und schon bricht der vorletzte Tag unserer Weinreise in die Toskana an. Heute geht es nach Montalcino. Bekannt ist der Ort bei Weintrinkern vor allem durch den Brunello di Montalcino, der zu den Spitzenweinen Italiens zählt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass neben dem sehenswerten, historischen Ortskern vor allem die Weinkeller rund um Montalcino ein Touristenmagnet sind. Wir besuchen mit unserer Reisegruppe die Weingüter ‚Tenuta di Argiano‘ und Conti Costanti‘. Bildschöne Anwesen und wunderbare Weine erwarten uns. Die Weinberge beider Weingüter verfügen über eine bestmögliche Ausrichtung auf 310 und 440m Seehöhe. Die angebaute Rebsorte ist hauptsächlich Sangiovese, der in Montalcino Brunello genannt wird.

Langsam werden wir etwas wehmütig, denn jetzt heißt es packen zur Heimfahrt. Der Kofferraum unseres Busses hat sich inzwischen mit Weinen gefüllt. Zum Glück ist der Bus groß genug, so dass ein Teil des Gepäcks auf der Rückbank Platz hat. Wir müssen Abschied nehmen von der Toskana, ihren schönen Orten, historischen Weingütern, den wunderbaren Menschen und ihren tollen Weinen. Auf der Rückfahrt ist es zunächst still im Bus, bevor jemand aus der Gruppe anfängt Resümee zu ziehen. Und schnell merkt man bei jedem Einzelnen die Begeisterung, die diese Reise für die Toskana geweckt hat. Nicht zuletzt durch das Fachwissen unserer Reisebegleiter Jean-Jaques und Andrea, ihrer lockeren, humorvollen Art Wissen zu vermitteln, hat jeder viel über die Weinkultur der Toskana gelernt und ich bin mir sicher, dass ich einige aus der Gruppe auch bei den nächsten Weinreisen der European Wine Education wiedersehen werde. Ich bin auf alle Fälle mit Begeisterung dabei.

Weitere Infos zu den Reisen der European Wine Education

Über den Autor*Innen

Jörg Bornmann

Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.